Jesus, der wie wir nach dem Sinn des Keuzes fragt
GOTT
Das war mein Wille: Ich habe meinen Menschensohn Jesus
in die Welt gesandt, dass er der Bruder aller Menschen wird und dass er alles
in Liebe tut, auch wenn ihm seine Feinde ein Kreuz aufladen und ihn töten.
Schon zu Beginn seines Wirkens erfüllte Jesus meinen
Willen, als er zu seinen Freunden sagt: Wer mein Jünger sein will, der
verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer
sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es
retten.
Markus 8,34f
Deshalb ermahnte Paulus die Korinther: Die Juden
fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus
als den Gekreuzigten: Für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine
Torheit, für die Berufenen aber, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
1
Korinther 1,22f
JESUS
Weit bin ich nicht gekommen. Jetzt liege ich am
steinigen Boden. Du, mein Kreuz liegst neben mir. Ich musste dich fallen
lassen. Aber ab nun bist du mein Bruder, meine Schwester, meine Mutter, mein
Einziges, das mir treu ist. An meinem Ende wirst du mich in deinen hölzernen
Armen halten bis zu meinem letzten Atemzug.
Mein himmlischer Vater, habe ich dich nicht im Garten
Getsemani angefleht, den Kelch des Kreuzes an mir vorübergehen zu lassen? In
Todesangst schwitzte ich Blut, während Petrus, Johannes und Jakobus schliefen.
Da schenkte mir dein Engel Kraft. Ich fand in mir die Antwort auf die ewige
Frage nach dem Sinn des Kreuzes: Wer sein Kreuz nicht tragen will, verleugnet
die Liebe. So muss ich mein Kreuz tragen und lieben. Jetzt befiehlt der
römische Hauptmann seinen Soldaten: Lasst ihn ein wenig ruhen. Diese Syrer im
Dienst der Römer, diese Judenhasser, spotten wieder: Großer König der Juden,
siegreicher Feldherr, wie gefällt dir dein Triumphzug zum Kapitol? Golgota ist
dein Kapitol. Aber sie heben mich vorsichtig auf und legen mir das Kreuz
langsam auf die Schultern. Mit ruhiger Stimme gibt der Hauptmann den Befehl:
Geht! Und mir spricht er Mut zu: Es ist nicht mehr weit. Bald hast du alles
hinter dir. So schleppe ich mich und mein Kreuz weiter. Ich muss alles
vollbringen. In Liebe …, alles in Liebe …
ICH
1988 gegen Ende September fahren Bruder Lanfranco und
ich zum kleinen Bruder Carlo Carretto, der im Sterben liegt. Wir finden ihn
in Perugia in einem Spital. Sein Krebsleiden ist nicht mehr zu stoppen. Mit
Schwester Erina heben wir Carlo in ein frisches Bett. Er schaut uns lange an.
Dann sagt er: Fritz. Ich bitte ihn: Bruder Carlo, sage uns ein Wort für unsere
Gemeinschaft. Nach kurzem Schweigen spricht der todkranke Freund: Was soll ich
euch sagen? Ihr lebt ja das Evangelium. Bleibt eurer Berufung treu! Wir stellen
uns um sein Bett herum, fassen ihn und einander an den Händen und beten das
Hingabegebet von Bruder Charles de Foucauld: „Mein Vater, ich überlasse mich
dir, mach mit mir, was dir gefällt …“ Dann steicheln wir Carlos Wangen, küssen
seine Stirn zum Abschied. An der Tür ein letzter Blick auf unseren geistlichen
Vater. Er weint bittere Tränen.
Erina sagt uns draußen: Er weint, weil er nochmals
anfangen möchte. Denn er hätte zu wenig geliebt. Carlo, ein wahrhaft Heiliger,
der niemals einen Menschen lieblos abgewiesen hatte, will nochmals anfangen,
weil er zu wenig geliebt hätte? Was bedeutet das für mich, für uns?
Am 4. Oktober 1988 rufen uns Freunde an: Carlo
Carretto ist gestorben. Am Todestag des Heiligen Franziskus, der in den
Morgenstunden des 4. Oktober 1226 von der Erde in den Himmel wanderte.
Was für ein Zeichen für uns Lebende. Was für eine Gnade
für unseren liebevollen Bruder Carlo Carretto.
Jesus, ich schau auf dich.
Jesus, schau du auf
mich.
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